Das Experiment
Eines ist klar: In der Schweiz bekommt man einen kleinen Saunaclub ohne ehrlichen und aktuellen Tagesplan nicht zum fliegen. Auch mit Billigpreisen nicht. Da gab es schon genug gescheiterte Experimente in der Vergangenheit...
Ich verstehe deine Argumente.
Im Grunde gibt es zwei Denkschulen.
Die eine folgt einem alten Muster: Der Freier verlangt höchste Qualität, ein starkes Image, eine erstklassige Auswahl, will immer sauber dastehen, will dafür aber am liebsten nichts bezahlen. Die Mehrheit jagt permanent nach dem billigsten Preis, der größten Leistung und der breitesten Auswahl an Frauen. Das ist Fakt. Was mit dem Betreiber passiert, ob der seine Kosten, Abgaben, Miete oder Mitarbeiter überhaupt noch zahlen kann, interessiert die Freier dabei herzlich wenig. Stürzt der Betreiber, tritt der Freier (bildlich gesprochen) ihm noch mit dem Stiefel in die Fresse nach und streut zynisch Spott und Häme obendrauf. Man denke nur an Beispiele wie das Medusa, das Elegant oder andere gescheiterte Projekte. Viele Freier müssten sich in diesem menschlich abgründigen Freier-Verhalten wiedererkennen, wenn sie ehrlich in den Spiegel blicken, etwa daran, wie sie öffentlich in Foren auf Gabriel herumgetrampelt haben, als er mit dem Medusa gescheitert ist.
Natürlich beteuert der Freier stets das Gegenteil: Er wolle fair sein, das Gute unterstützen, die Frauen unterstützen, den Clubs soll es gut gehen. Doch was der Freier sagt und wie er tatsächlich handelt, sind zwei völlig verschiedene Welten.
Und dann tritt wie in diesem Fall ein abgebrühter Betreiber in Neuenhof auf den Plan, einer, dem es völlig gleichgültig ist, was andere über ihn denken. Einer, der das Spiel längst verstanden hat. Er bietet dem Freier exakt das, wonach er sich permanent sehnt und wofür dieser bezahlt ... nicht mehr, nicht weniger.
Die Empörung ist groß, der moralische Aufschrei laut. Doch in Wahrheit ist es nur ein Sturm im Wasserglas. Denn der Empörte kehrt schneller zurück in den Club, als er denkt. Warum?
Weil der Dumpingpreis einen Nerv trifft. Er aktiviert einen tief sitzenden psychologischen Reflex: die Angst, etwas zu verpassen ... das berühmte "Jetzt oder nie!"-Gefühl. Gepaart mit der Gier nach maximalem Lustgewinn und Leistungen zum Spottpreis, setzen plötzlich alle Vorsätze aus. Vernunft, Prinzipien, sogar Ekel ... alles sekundär! Hauptsache billig. Dabei wird der Mensch regelrecht zum Tier und geht über Leichen wenn es sein muss! Dazu gibt es viele psychologische Experimente, z.B. wenn Shopping Malls von gierigen Horden gestürmt werden und sie sich wegen einem Handy für 1 CHF gegenseitig die Köpfe einschlagen. Und draussen wartet schon die Presse und es führt zu einem medialen Hype.
Und genau auf diesen Moment wartet der Betreiber. Er muss nicht überzeugen, er muss nur triggern. Das ist kein Zufall. Das ist Psychologie.
Alles klar?
Eine Szene am Buffet wirkte besonders befremdlich:
Eine einzelne Dame wurde von etwa 15 Männern regelrecht umringt. Es kam zur handfesten Auseinandersetzung unter den Freiern, wer als Erster mit ihr aufs Zimmer dürfe.
Ein psychologisches Grundmuster: Verknappung steigert Begehren! Ein unverschämt niedriger Preis, kombiniert mit sexueller Verfügbarkeit, entfesselt im Menschen etwas Ursprüngliches: den Trieb zur Befriedigung, entkoppelt von Moral, Empathie oder sozialem Anstand. Der rationale Mensch macht Pause. Zurück bleibt ein Rudel von Jägern, gesteuert von niedersten Trieben, ähnliches Verhalten wie in Flatrate-Clubs oder bei Gruppenvergewaltigungen. Die Frau wird zur Ressource. Der Club zum Spielfeld. Und der Mensch zum Jäger, der notfalls auch über Leichen geht, wenn der Preis niedrig genug ist.
Das Gehirn schaltet in den Modus:
- "Jetzt oder nie."
- "Greif zu, bevor es ein anderer tut!"
- "Wenn ich sie nicht kriege, bin ich der Verlierer."
- "Ich habe ein Anrecht ... ich habe bezahlt."
Mein Essen war lauwarm – aber der Hunger war groß, also griff ich dennoch zu. Hätte ich bloß verzichtet. Montezumas Rache hat sich für den Abend angekündigt!
Neben mir am Tisch ein anderer Gast: Er hatte eine halbrohe Kalbsbratwurst auf dem Teller. Schon bei der Ausgabe war er skeptisch. Auf dem Teller dann das böse Erwachen: eine Seite roh und ungegrillt, die andere halbwegs gegart.
Man weiß, es wird nicht gut enden und greift trotzdem zu. Aus psychologischer Sicht lässt sich dieses Verhalten hervorragend mit dem Urbild der Versuchung erklären, Adam und Eva im Garten Eden. Trotz Warnung, trotz des Wissens um mögliche Konsequenzen, trotz innerem Widerstand und Ekel: Die verbotene Frucht übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.