Was ist nun Sucht? Ich habe jeden Morgen, sofort nach dem Aufstehen den starken Drang mir irgendwas zwischen die Zähne zu schieben und ein nur paar Stunden später geht das schon wieder los. Nur hält das niemand für eine Sucht, sondern für ein normales Bedürfnis. Es sei denn, ich wäre schon 120 Kilo schwer, dann leide ich unter Fresssucht.
Abhängigkeit allein, kann es ja nicht sein, was Sucht zur Sucht macht. Das, wonach ich strebe, was ich will, wonach ich mich sehne, das alles ist ja viel mehr als reine Bedürfnisbefriedigung und trotzdem Lebensnotwendig.
Vielleicht beginnt Sucht da, wo Leidenschaft mehr als nur Leiden schafft, sondern richtigen Schaden anrichtet. Und zwar Schaden an sich selber. Im Bezug auf die Prostitution kann dieser ökonomischer, sozialer oder psychischer Art sein. Wer also Schaden nimmt durch sein Besuch bei Prostituierten und dies nicht verhindern kann, der ist Süchtig.
Aber es ist für einem selbst nicht immer so einfach selbstschädigendes Verhalten zu erkennen. Und manchmal ist der Puffbesuch auch gar nicht die Ursache einer Krankheit (hier also die Sucht), sondern bloss ein Symptom.
Im Bordell erhält Mann temporäre, wohlproportionierte Liebe. An den generellen Unterschied von Liebe und Sexualität glaube ich übrigens nicht. Sonst gäbe es nämlich so etwas wie diese Entzugsymptome gar nicht. Gegen Entgelt widmet sich eine Frau eine halbe Stunde lang meine Körper, meiner Lust und ich bin eine halbe Stunde lang kein armes einsames Schwein mehr. Eine Insel in der Zeit. Ein Bordell ist fast wie Kino, nur wirklicher. Eine halbe Stunde lang gelten die Regeln, die mein Leben bestimmen nicht mehr. Alle diese komplizierten Regeln die im Umgang mit dem anderen Geschlecht gelten sind kurzeitig aufgehoben. Geld macht es möglich.
Die Macht des Geldes ist hier enorm. Das kann man sich zum Beispiel bewusst werden, wenn man zwei verhältnismässig primitiven Lebewesen wie Eidechsen beim Liebesspiel beobachtet. Was treiben die für einen enormen Aufwand um sich zu begatten! Und das ist ja auch beim Menschen so, normalerweise. Geld hebt diese Rituale auf, diese biologisch verankerten Regeln, aber nur für eine eng begrenzte Zeit, für eine Person und auch bei dieser Person nur für ganz bestimmte Handlungen. Was ist das für ein Zustand? Eine Art soziales, psychisches Vakuum im alltäglichen, normalen Leben. Jedenfalls nicht ohne jede Gefahr für das betroffene Individuum.