Tages-Anzeiger vom 29.02.12, von Thomas Hasler
«Sie hatte Sex und ich keinen Kaffee»
Eine Prostituierte wurde zu 24 Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Sie hatte einen Banker fast zwei Jahre gestalkt und zum Sex gedrängt. Für eine Bestrafung wegen sexueller Nötigung reichte es aber nicht.
«Ich weiss nicht, wie man einem 190 cm grossen Mann mit Gewalt und gegen seinen Willen die Hosen runterziehen kann.» Mit diesen Worten hat eine 39-jährige Masseurin und Prostituierte gestern Dienstag vor dem Bezirksgericht begründet, warum sie nicht wegen mehrfacher sexueller Nötigung bestraft werden kann. Trotzdem beantragte ihr Verteidiger gerade in diesem Punkt eine Verurteilung. «Das muss ich einräumen, wenn man den Gesamtzusammenhang betrachtet.»
Und dieser Gesamtzusammenhang hat es in sich. Die Prostituierte und der Mann, der damals bei einer Grossbank in einer Führungsposition arbeitete, hatten sich Ende 2008 kennen gelernt. Während sie sich in den verheirateten Banker verliebte, wollte er bereits Ende Januar 2009 den Kontakt zu ihr abbrechen. Da zog sie in den folgenden zwei Jahren ein eigentliches Terrorregime auf.
«Du hast genau bis 13 Uhr Zeit»
Sie rief ihn unentwegt an, schickte ihm SMS oder E-Mails, drohte ihm, ihn oder sich selber umzubringen, seiner Ehefrau von den ausserehelichen Eskapaden zu berichten, seinen Arbeitskollegen irgendwelche Geschichten über ihn zu erzählen, bei ihm zu Hause oder am Arbeitsplatz aufzutauchen. «Du hast genau bis 13 Uhr Zeit. Wenn du bis dahin keine Antwort gibst und mir kein Date machst, muss ich das tun», schrieb sie in einer SMS. Ein Date hiess: mit ihr Sex haben.
Die Drohung wirkte. Mehrfach traf er sich mit ihr. Man habe abgemacht, erzählte er den Behörden, er komme mit Kaffee und Gipfeli zu ihr, und dann rede man über die verzwickte Situation. Den Schluss des Treffens bei ihr zu Hause beschrieb er so: «Sie hatte den Sex und ich keinen Kaffee und kein Gipfeli.»
Schlüssel versteckt
Laut Anklage musste er den Geschlechtsverkehr mit ihr gegen seinen Willen vollziehen. Zum einen standen ihre Drohungen im Raum. Zum anderen hatte sie auch die Tür zur Wohnung abgeschlossen und den Schlüssel für ihn unzugänglich verstaut. Einmal öffnete sie die Tür erst, als er vom Balkon klettern wollte, um einen Termin nicht zu verpassen.
Um den ständigen Nachstellungen zu entgehen, musste der Banker seine Lebensgewohnheiten ändern. Sein Geschäftsmobiltelefon stellte er stets auf lautlos, er stellte die Sprachbox ab, ebenso seinen Festnetzanschluss zu Hause. In der Anklageschrift heisst es, er habe auch «Veränderungen in seiner Familie» hinnehmen» müssen. Die Beschuldigte sagte vor Gericht, sie habe gehört, er habe sein Haus verkauft, seine Arbeit verloren, und seine Frau habe die Scheidung eingereicht.
Die 39-Jährige war mit Ausnahme der sexuellen Nötigung geständig. «Sie würden mir einen grossen Gefallen tun, wenn es schnell über die Bühne geht», sagte sie dem vorsitzenden Richter. Die Frau, in Bosnien geboren und als Zweijährige in die Schweiz gekommen, hat den Kontakt zu den Eltern abgebrochen. «Lieber allein, als schlecht begleitet», sagte sie dazu. Sie lebe wieder in einer Partnerschaft. «Mit einem Mann?», fragte der Richter. «Mit was denn sonst?», fragte sie zurück. Und dann gab sie noch ungefragt zu Protokoll, jeder hier im Saal sei schon im Puff gewesen. Was vom vorsitzenden Richter umgehend dementiert wurde.
Schwer persönlichkeitsgestört
Der 39-Jährigen wurde zudem vorgeworfen, die Sozialbehörden getäuscht zu haben. Sie habe verschwiegen, dass sie mit der Prostitution monatlich bis zu 14 000 Franken verdient habe. Deshalb seien ihr über 220 000 Franken Unterstützungsgelder für sie und ihre Tochter zu Unrecht ausbezahlt worden.
Dazu kam noch eine Anklage wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Beschimpfung. Nach einer Einvernahme hatte sie zwei Polizisten als «Hurensöhne» und «Arschlöcher» beschimpft, einen Beamten aus kurzer Distanz angespuckt und ihn durch einen Tritt über dem Auge verletzt.
Dass die Frau schon lange unter einer schweren Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetypus leidet und emotional instabil ist, war nicht nur dem Psychiater klar, der sie untersucht hatte. In einer sehr belasteten Jugendzeit emotional vernachlässigt aufgewachsen, ohne Zuwendung, Akzeptanz und Liebe erfahren zu haben, habe die Beschuldigte nie Vertrauen fassen können und eine Bindungsstörung entwickelt, sagte ihr Verteidiger. Das Bezirksgericht verurteilte die Frau wegen einer ganzen Reihe von Delikten zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Es schob diese allerdings zugunsten einer ambulanten Therapie auf.
Banker verunsichert
Vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Nötigung wurde die Frau, die zur Urteilseröffnung nicht mehr erschienen war, überraschend freigesprochen. Ein psychischer Druck sei beim Banker zweifellos vorhanden gewesen. Dieser Druck sei aber zu wenig stark gewesen. Er sei zu den Treffen mit der Frau am Anfang sicher «unwillig hingegangen, weil er dem ekelhaften Zustand ein Ende bereiten wollte».
Warum es dann trotzdem zum Sex kam, habe der Banker aber nicht richtig erklären können. Eine Analyse seiner Aussagen zeige, dass er selber nicht sicher war, ob der Geschlechtsverkehr gegen seinen Willen geschehen sei. Er sei einfach «nach allen Regeln weiblicher Kunst verführt» worden.
:verliebt: Irgendwie doch faszinierend wozu Frauen fähig sind? :confused: